Hechtbrunnen Teterow
Das Wahrzeichen der Stadt Teterow befindet sich direkt rechts vor dem Rathaus. Im Jahr 1914 eingeweiht, entstand er nach Entwürfen des Plauer Bildhauers Professor Wandschneider. Thematisch wird die "Hechtsage" - ein Schildbürgerstreich der Altvorderen aufgegriffen.
Sage um den "Ururgroßvater aller Hechte des Teterower Sees"
Wenn ihr euch die gute alte Stadt Teterow auf einer Landkarte sucht, so werdet ihr finden, dass sich nordöstlich der Stadt zwischen Wald und Wiesen ein großer, buchtenreicher See hinzieht. Wie nicht anders zu erwarten ist, gehörte dieser See seit alters der Stadt zu erb und eigen, und also hatte Teterow auch einen Stadtfischer, der von Bürgermeister und Rat angestellt und in Eid und Pflicht genommen wurde.
Das hieß natürlich nicht, dass nur die Herren vom Rate die Fische zu essen bekamen, die der Fischer fing. O, nein, dazu war der See viel zu fischreich. Und wenn nicht gerade besonders schlechtes Wetter war, so konnte des Fischers Frau an jedem Mittwoch und Sonnabend, wenn die Wochenmärkte stattfanden, in einer Bude ausstehen und die Beute ihres Mannes feilbieten. Es war gar kein schlechtes Geschäft, Stadtfischer von Teterow zu sein, denn die Bürgersfrauen kauften gern die springfrischen Hechte und Barsche, die Schleien und Plötzen und Brachsen und im frühen Sommer natürlich auch die Aale und die Krebse.
Eines Tages, es war im Frühling, geschah es nun, dass der Fischer mit seinen Knechten im Morgengrauen ausfuhr, um das Netz einzuholen, das er über Nacht hinter der Burgwallinsel ausgelegt hatte. Alles ließ sich an wie gewöhnlich, das Wetter, der Wind, das Wassergevögel, der Sonnenaufgang, und doch war es ein ganz besonderer Tag. Das merkten die Fischer aber erst, als sie zu ziehen begannen, denn in den Flügeln des Netzes hing nicht wie sonst das geringe Kroppzeug von Plötzen und Rotaugen und kleinen Barschen. Auch nichts Besseres. Rein nichts war drin.
Das war sehr merkwürdig. Sollte etwa überhaupt nichts ins Garn gegangen sein? Das wäre sehr ärgerlich, denn morgen hatte die Frau Bürgermeisterin Geburtstag, und dazu hatte sie sich einen schönen Hecht von drei oder vier Pfund bestellt. Aha" rief da einer der Knechte. Jetzt kommt der Beutel, und er scheint mir mächtig schwer, mindestens fünf- oder sechsmal so gewichtig wie sonst."
Da werden wir einen Baum gefangen haben, fürchte ich", antwortete der Fischer verdrießlich, der Wirbelsturm ehegestern hat einige Stämme in den See geworfen. Du lieber Gott, da können wir auch morgen und übermorgen auf nichts rechnen, denn die Äste haben bestimmt das Netz zerrissen, und wir haben ein paar Tage zu flicken und zu stricken, bis es wieder in Ordnung ist. Na, das Klagen hilft nicht, man muss die Dinge nehmen, wie sie kommen. Nun spuckt euch mal alle in die Hände und packt kräftig zu damit wir sehen, was für ein Unglück uns beschert ist."
Die Knechte taten wie geheißen und zogen aus Leibeskräften. Nein, das war kein Baumstamm, was sie gefangen hatten, denn mit einem Mal wurde es lebendig im Beutel, begann sich zu rühren und zu regen. Ach, was sage ich da - zu paddeln und zu zappeln und zu toben fing es an, und vor dem Boote schäumte der sonst so stille See, als hätte sich der Wirbelsturm von neulich im Wasser versteckt und bräche noch einmal los.
Los, Jungens, los! Zieht doch! Zieht!" rief der Fischer. Das war leicht gesagt, aber längst nicht so leicht getan, denn nun sahen sie es schon am Platschen und Spritzen des Wassers: Was da im Beutel des Netzes saß, war kein gewöhnlicher Fisch von nur ungewöhnlicher Größe. Das war ein Ungeheuer! Ein Hecht, so groß, wie sie ihn noch nie gesehen hatten! Der Ururgroßvater aller Hechte des Teterower Sees! Er riß sein Maul auf, in dem die spitzen Zähne blänkerten, einen Zoll lang oder auch zweie, und mit dem Schwanze peitschte er das Wasser so mächtig, dass er leicht einen Fischerjungen umgeworfen hätte, wäre er ihm in die Nähe gekommen.
"Halt!" rief der alte Fischer. "Nicht weiterziehen! Das hat keinen Zweck. Wenn wir den Kerl ins Boot nehmen, wirft er es uns um oder springt wieder heraus oder beides zugleich. Den lassen wir im Beutel und rudern so nach Hause. Wenn ihm erst die Luft knapp wird, gibt er sich schon." Aber auch das Nachhausekommen war diesmal nicht so leicht. Denn wenn die Fischerknechte sich auch kräftig in die Riemen legten und den Kahn nach Süden trieben, so wollte der Riesenhecht nach Norden. So stark war er, dass das Boot genau die doppelte Zeit brauchte als an anderen Tagen.
Aber schließlich kamen sie doch an, banden den Kahn an den Steg und den Beutel mit dreifach starken Bändern an das Boot, denn nun, da es im flachen Wasser über dem hellen Kiesgrund lag, sahen sie erst richtig, was für ein Bursche ihnen ins Netz gegangen war. Da war kein Gedanke, ihn in den Fischkasten zu setzen, denn der war viel zu kurz für diesen Hecht, der gut und gern so lang war wie das Bein eines ausgewachsenen Mannes.
Da standen sie nun alle auf dem Steg und handschlagten und nickköppten und wunderten sich, der Fischer und seine Knechte, und seine Frau war auch herbeigelaufen und die Kinder, die vor Staunen die Finger in den Mund steckten. Nur Fritzing, der Kleinste, steckte seinen Finger in die Nase, und es fehlte nicht viel, dann hätte er ihn abgebrochen, als der Hecht plötzlich mit dem Schwanze um sich schlug, dass alle Zuschauer eine kräftige Dusche bekamen.
Der Fischer schob seine Mütze in die Stirn, kratzte sich am Kopfe und sagte: Ja, ja, die Frau Bürgermeisterin hatte wohl einen Hecht bestellt, aber diesen hier nimmt sie mir nicht ab. Wenn die Geburtstagsgäste auch einen gesegneten Appetit haben, so viel können sie nie und nimmer vertilgen. Dieser Hecht reicht ja schier aus, die halbe Stadt satt zu machen. Da will ich doch gleich aufs Rathaus gehen und den Herren melden, was wir heute heimgebracht haben."
Gesagt, getan, und kaum war ein halbes Stündchen vergangen, da langweilten sich die Akten und Kaufverträge und Briefschaften mutterseelenallein im Rathause, denn alle Herren standen auf dem Steg des Fischerhauses, und der Herr Secretarius hatte sogar noch die Gänsefeder hinterm Ohr, so eilig hatte er's gehabt, das Wundertier zu sehen. Da standen sie nun und hatten vor lauter Staunen Augen, so groß wie Teetassen, und sie schüttelten ihre Köpfe, dass der Puder aus den Locken der Perücken flog, und sie stießen sich in die Seite und klatschten sich auf die Schenkel und wussten sich gar nicht zu lassen vor Freude.
Und dem Fischer und seinen Knechten ging es nicht anders, denn der Herr Ratssäckelmeister griff in die Tasche und gab, einstweilen aus dem Seinen verauslagend, jedem Knecht einen blanken Taler und dem Fischer deren zwei, und als der kleine Fritz erzählte, wie er sich beinahe den Finger abgebrochen hätte, bekam er zum Troste einen Schilling. Da war er denn so vergnügt, dass er sich am Ufer einen Stock suchte, mit dem er den gefangenen Riesen ein wenig stocherte, also dass dieser abermals mit dem Schwanze um sich schlug und so auch den ehrbaren Ratsherren allesamt eine kühlende Dusche verabfolgte.
Ei, da konnten sie laufen, sogar der Herr Camerarius, der doch gut und gern seine zweieinhalb Zentner zu schleppen hatte, und erst unter den Ulmen am Fischerhaus hielten sie an, um nun zu beratschlagen, was mit diesem Wunderhechte geschehen sollte. Hin und her ging die Rede. Dieses und jenes ward vorgeschlagen und wieder verworfen, bis schließlich der jüngste Ratsherr - er war erst sechzig und nur wegen seiner ausnehmenden Schlauheit so früh in den Rat gewählt worden - den richtigen Einfall hatte.
Gestrenger Herr Bürgermeister, hochedle Herren Kollegen", sagte er, ,meines Dafürhaltens ist ein solcher Hecht noch nie in unserer Stadt, ja, noch nie im ganzen Lande gefangen worden und wird auch nie wieder gefangen werden. Das ist ja eigentlich gar kein Hecht mehr, sondern ein Naturwunder. Ihn stückweise zu verkaufen wäre eine Missachtung, des großen Glücks und der hohen Auszeichnung, die uns Teterowern durch diesen Fang aus unserm Stadtsee zuteil geworden sind: Mir ist da nun ein anderer Gedanke gekommen. Komm mal her, Fritz, du kannst dir noch einen Schilling verdienen, wenn du meine Frage richtig beantwortest. Welches sind die drei großen christlichen Feste?"
Den Finger in der Nase, trat der kleine Fritz zu den Ratsherren und dachte scharf nach. Weihnachten, Ostern und Königsschuss", sagte er dann schließlich.
Richtig", lobte ihn der Ratsherr, gab ihm die verheißene Belohnung und fuhr in seiner Rede fort. So ist es, meine hochgeehrten Herren. Königsschuss! In zwei, drei Monaten ist Königsschuss, den wir Teterower bekanntlich nicht allein feiern. Wie die Erfahrung lehrt, kommen die Leute dazu von weither aus allen Dörfern in der Runde, und auch Gäste aus den benachbarten Städten sind zu erwarten, aus Malchin und Stavenhagen und Waren - also aus den Orten, die immer mit Missgunst auf uns blicken und uns schon so manche böse Nachrede anhängten und so manchen Tort antaten. Man stelle sich vor: Wenn wir diesen Wunderhecht bis Königsschuss aufbewahren, dann werden die auswärtigen Besucher des Festes vor Neid platzen!"
"Bravo, bravissimo!" riefen die Ratsherren einstimmig und beschlossen: Der Hecht wird bis zum Königsschuss aufbewahrt und dann in einem noch auf Stadtkosten zu bauenden Riesentopf gekocht, um darauf, fein angerichtet, beim Festmahl von der gesamten Schützengilde samt auswärtigen Ehrengästen verschmaust zu werden.
Halten zu Gnaden, ihr Herren", bemerkte da der Fischer, der, in geziemendem Abstand, Beratung und Beschluss mit angehört hatte. Halten zu Gnaden, wenn ich armer ungelehrter Mann mich ins Gespräch mische, der ich doch weder lesen noch schreiben kann. Ich bitte sehr, rechnen Sie es mir nicht als Frechheit oder Aufsässigkeit an, wenn ich sage, dass dieser Plan, so schön er auch sein mag, nicht durchgeführt werden kann.
Wir haben jetzt eben Ostern gehabt, und bis zum Königsschuss sind es noch fast drei Monate. Wie soll sich der Hecht wohl so lange halten? Im Wasser liegend und in meinem Netz gefangen? Ja gern, abgesehen davon, dass ich kein zweites Netz habe und, bis das beschafft wäre, die Stadt der Fische ganz entraten müsste. Aber wovon soll das arme Tier in der Gefangenschaft leben?"
Könnt Ihr ihm keine Fische fangen und ihn damit füttern?" fragte der Bürgermeister. Das kann ich", antwortete der Fischer, aber die Erfahrung lehrt mich, dass er die nicht fressen wird, auch dann nicht, wenn der Hunger übergroß wird. Nein, nein, ihr Herren, bis Königsschuss ist der Hecht längst verhungert, und mit seiner Leiche schwimmt euch der schöne Plan davon."
Das war ja nun sehr ärgerlich, aber leider der Wahrheit entsprechend. Die Frau des Fischers musste Stühle und Bänke bringen, und die Ratsherren, denen eine längere Stehung nicht gut zugemutet werden durfte, konnten eine Sitzung beginnen. Am frühen Nachmittag waren alle Fragen durchgesprochen und geklärt. Man musste dem Hecht einstweilen und vorläufig seine Freiheit zurückgeben, um ihn am Leben zu erhalten und zum Königsschuss verspeisen zu können.
Da aber kaum damit zu rechnen war, dass er freiwillig in die Gefangenschaft und letzten Endes in Kochtopf und Mägen schwimmen würde, mussten dementsprechende Vorkehrungen getroffen werden. Und also wurde zum einstimmigen Beschlusse erhoben: Der Ratskupferschmied wird beauftragt, sofort eine zehn Zoll lange kupferne Glocke mit passendem Halsband anzufertigen, welche dem Hechte anzulegen ist, damit er, durch den Schall der Glocke verraten, zu jeder gewünschten Stunde wieder gefangen werden kann.
Leider war bei diesem Beschlusse eine Kleinigkeit übersehen worden, die dann auch noch mancherlei Streit hervorrief: wer nämlich dem Hechte die Glocke anzulegen haben würde. Der Kupferschmied sagte: Natürlich der Fischer, denn Hechte gehören nicht zu meinem Beruf." Der Fischer sagte: Natürlich der Kupferschmied, denn was hat ein Fischer mit Glocken zu schaffen?" Und beide dachten dabei an die langen spitzen Zähne des Hechtes.
Aber dieser Streit kam erst vier Tage später zur Austragung, denn ferner hatte man, nach Anhörung des Fischers, beschlossen, den Hecht solange in seinem Netze fasten zu lassen, damit er matt und elend würde und nicht mehr so ungebärdig wäre wie bisher.
Und in der Tat, am vierten Morgen war der Hecht recht zahm geworden, so sehr, dass man ihn sogar in das Boot legen konnte, mit dem der Fischer, zwei seiner Knechte sowie der Bürgermeister und ein Ratsherr auf den See hinausfuhren. Die Glocke hatte der kleine Fritz dem Untier angelegt und sich auf diese Weise drei Schillinge verdient, einen von seinem Vater, einen vom Kupferschmied und einen vom Bürgermeister. Von seiner Mutter aber bekam er eine Backpfeife, denn sie betrachtete seinen Mut als eitel Vorwitz und Unvorsichtigkeit. Übrigens hatte sich der Hecht gar nicht mehr gewehrt und nicht einmal mit dem Schwanze geschlagen.
Nun also fuhr das Boot über den See. Ein paar hundert Schritt vom Lande entfernt, befahl der Bürgermeister, die Ruder einzuziehen. Damit Ihr es nicht so unbequem habt, ihn erneut zu greifen", sagte er und lächelte dem Fischer freundlich zu. Hier setzt ihn in sein Element zurück", sagte er. Und für den unwahrscheinlichen Fall, dass er die Glocke verliert, will ich mit meinem Taschenmesser eine Kerbe in die Bootswand schneiden, damit Ihr mühelos die Stelle wiederfindet, wo wir den Hecht ausgesetzt haben." Sprach's und tat's, und haargenau unterhalb der Kerbe warfen die Knechte den Fisch in den See, doch vorsichtig, damit er nicht etwa schon durch den Schwung die Glocke verlöre.
Der Frühling war gegangen, der Sommer gekommen, und Königsschuss stand vor der Tür. Aber soviel der Fischer sich auch plagte, so fand er den Hecht doch nicht wieder. Seine Ohren wurden dabei so scharf, dass er fortan schier das Gras wachsen hörte, aber die Glocke hörte er nicht, auch nicht von ganz ferne. Und die schöne Kerbe am Boot war auch zu nichts nütze.
Natürlich wollten die bösen Nachbarn sich vor Lachen ausschütten, als sie zum Königsschuss nicht den Wunderhecht vorgesetzt bekamen, sondern bloß seine Geschichte. Und statt dass die Nachbarn vor Neid platzten, hatten die Teterower selbst ihren Leib voll Ärger und Gift, dass es ihnen mit dem Hechte so missglückt war - bis sie auf den guten Einfall kamen, ihren Hecht mitsamt der Glocke in Stein hauen und mitten auf den Markt stellen zu lassen. Hier steht er heute noch in voller Größe, und jeder, der nach Teterow kommt, kann ihn dort bewundern.
Aus: "Noch lebt der Hecht ", Heinrich Alexander Stoll, Hinstorff Verlag Rostock 1984, 19ff
Jährlich am Wochenende vor Pfingsten wird auf dem Teterower Marktplatz das traditionelle Hechtfest gefeiert.
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